POIS-Stories
Hier findet Ihr Erfahrungsberichte von Betroffenen des Post-Orgasmic-Illness-Syndroms, in denen sie über ihr Leben mit POIS berichten.
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Christian, 44 Jahre, Duisburg: “ POIS fühlt sich an, als würde Dein Körper dich verraten.“
Ich weiß noch genau, wann alles begann. Es war vor knapp 20 Jahren, als ich das erste Mal nach einem Orgasmus bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Zuerst waren es nur leichte Kopfschmerzen und ein Gefühl von Müdigkeit, doch nach und nach wurde es schlimmer – viel schlimmer.
Das Post-Orgasmic-Illness-Syndrom ist ein Zustand, der mich von einem aktiven, lebensfrohen Menschen zu jemandem gemacht hat, der kaum noch in der Lage ist, seinen Alltag zu meistern. Was einst als ganz natürliche Reaktion des Körpers nach einem Orgasmus erschien, wurde für mich zur Hölle. Es fühlt sich an, als würde der Körper mich verraten. Der Zustand nach einem Orgasmus ist wie ein unaufhaltsamer Strom von körperlichem und geistigem Elend. Es fängt an mit einem unerträglichen Müdigkeitsgefühl, das sich wie ein schwerer Schleier über mein Leben legt. Ich kann kaum die Augen offen halten, und meine Muskeln fühlen sich wie Blei an.
Doch das Schlimmste ist die geistige Belastung. Ich bin niemand, der leicht aufgibt, aber diese Krankheit hat mich an meine Grenzen gebracht. Oft fühle ich mich wie in einem Nebel, unfähig, klar zu denken. Meine Konzentration schwindet, und meine Stimmung wechselt zwischen tiefer Traurigkeit und völliger Verzweiflung. Was zu Beginn noch als gelegentliche Reaktion schien, wurde bald zu einem wiederkehrenden Albtraum. Ich fand keine Erklärung, keine Hilfe. Ärzte, die den Zustand nicht kannten, hielten es zunächst für eine psychosomatische Störung oder eine „gewöhnliche“ Depression.
Es gibt Tage, da frage ich mich, ob ich jemals wieder ein normales Leben führen kann. Alles, was ich tue, scheint von dieser Krankheit überschattet zu werden. Die einfachsten Aufgaben wie arbeiten, soziale Kontakte pflegen oder gar nur in den Spiegel zu schauen, fühlen sich wie unüberwindbare Hürden an.
Ich habe den Mut verloren, mich auf die Zukunft zu freuen. Es gibt keine Lösung, keine Garantie, dass es jemals besser wird. Jeder Versuch, nach vorne zu blicken, wird von der Frage überschattet, ob mein Körper mich wieder einmal im Stich lassen wird, wenn ich versuche, ein einfaches menschliches Bedürfnis zu erfüllen.
Die emotionale Belastung dieser Krankheit ist nicht zu unterschätzen. Die ständige Angst, dass der nächste Orgasmus das nächste gesundheitliche Desaster auslösen wird, macht es schwer, eine intime Beziehung zu führen oder überhaupt den Gedanken an Intimität zuzulassen. Ich habe das Gefühl, dass mir etwas so grundlegendes und menschliches verweigert wird.
Es ist nicht nur der physische Schmerz, der mich niederdrückt, sondern auch der seelische Kummer, der damit einhergeht. Ich habe mich von Freunden, Familie und selbst von meiner Partnerin entfremdet, weil ich das Gefühl habe, nicht mehr der Mensch zu sein, der ich einmal war.
Es gab Tage, an denen ich dachte, dass ich diesen Zustand nie überstehen werde. Manchmal frage ich mich, warum das alles passiert ist. Was habe ich falsch gemacht? Warum ich? Warum mein Leben? Aber irgendwann habe ich aufgehört, diese Fragen zu stellen. Sie führten nur zu noch mehr Verzweiflung.
Ich hoffe, dass sich irgendwann eine Antwort finden lässt. Die Stille die mit POIS einhergeht, ist überwältigend. Alle scheinen zu schwach oder zu verschämt, um sich zu vernetzen oder zu organisieren. Man hat das Gefühl, jeder kämpft für sich allein. Die Einsamkeit, die damit einhergeht, ist kaum zu ertragen.Aber so langsam tut sich was, habe ich das Gefühl.
Nachdem ich fast zwanzig Jahre mit der Krankheit allein war, ermöglichen die sozialen Medien endlich einen Austausch untereinander. Das ist so wichtig. Denn niemand versteht die Krankheit besser, als die Betroffenen selbst!
Ich schreibe diese Worte nicht, um Mitleid zu erregen, sondern um das Thema zur Sprache zu bringen. Vielleicht gibt es irgendwo eine Lösung, einen Weg, sich nicht völlig aufzugeben. Aber ich habe das Gefühl, dass die Hoffnung, die ich einst hatte, immer weiter schwindet.
Am Ende bleibt mir nur, irgendwie weiterzumachen, obwohl ich nicht weiß, wie lange ich noch die Kraft dafür aufbringen kann.
Lukas, 25 Jahre, Bremen: „Einige Ärzte schauten mich an, als wäre ich verrückt.“
„Vor etwa drei Jahren bemerkte ich, dass ich nach dem Orgasmus immer wieder unter extremen Symptomen litt. Zuerst dachte ich, es sei nur eine vorübergehende Phase, aber die Symptome wurden schnell zu einem ständigen Begleiter. Ich fühlte mich nach jedem Mal, als hätte ich einen Marathon gelaufen – erschöpft, mit starken Kopfschmerzen und einem allgemeinen Gefühl der Schwäche. Es war, als würde mein Körper gegen mich arbeiten.
Ich suchte Hilfe bei verschiedenen Ärzten, aber die meisten konnten mir nicht weiterhelfen. Einige schauten mich an, als wäre ich verrückt, während andere mir einfach rieten, es zu ignorieren. Es war frustrierend, dass niemand die Ernsthaftigkeit meiner Symptome verstand. Ich fühlte mich allein und isoliert, als ob ich in einem dunklen Tunnel gefangen wäre, ohne einen Ausweg.
Die Online-Foren, die ich fand, waren zwar hilfreich, aber sie waren auch ein Ort des Pessimismus. Viele Betroffene berichteten von ähnlichen Erfahrungen, und es schien, als gäbe es keine wirkliche Lösung oder Hoffnung auf Besserung. Die Geschichten von Menschen, die jahrelang mit POIS lebten, ohne eine Linderung zu finden, machten mir Angst. Ich fragte mich, ob ich jemals wieder ein normales Leben führen könnte.
Ich versuchte, meine Lebensweise zu ändern – gesunde Ernährung, Stressbewältigung, regelmäßige Bewegung – aber die Symptome blieben hartnäckig. Es fühlte sich an, als würde ich gegen eine Wand ankämpfen, die einfach nicht nachgeben wollte. Die ständige Erschöpfung und das Unwohlsein haben nicht nur meine körperliche Gesundheit, sondern auch meine psychische Gesundheit stark belastet. Ich habe oft das Gefühl, dass ich in einem Teufelskreis gefangen bin, aus dem es kein Entkommen gibt.
Die Hoffnung auf Besserung schwindet mit jedem Tag. Ich frage mich, ob ich jemals wieder die Freude an Intimität und Sexualität erleben kann, ohne die Angst vor den nachfolgenden Symptomen. Es ist eine traurige Realität, die ich akzeptieren muss, auch wenn ich mir wünsche, dass es anders wäre.
Ich teile meine Geschichte nicht, um Mitleid zu erregen, sondern um die Realität von POIS zu zeigen. Es ist eine Herausforderung, die viele nicht verstehen können. Ich hoffe, dass eines Tages mehr Forschung betrieben wird, um Menschen wie mir zu helfen, aber im Moment bleibt mir nur die Akzeptanz dieser schwierigen Situation“
Paul, 27 Jahre, Düsseldorf: „Viele Jahre habe ich mit diesen Symptomen verbracht und geglaubt, sie seien normal.“
„Seit ich etwa 15 Jahre alt bin, leide ich an Krankheits-Symptomen nach einem Orgasmus. Ich bin dann mehre Tage völlig energielos und müde – ein Zustand, der nach dem Sex zwar oft normal ist, bei mir aber viel länger anhäl
Doch warum brennen meine Augen? Warum kann ich mich nicht mehr konzentrieren? Wo ist plötzlich meine Kreativität hin verschwunden, auf die ich bei der Arbeit so angewiesen bin.“
Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er mit Watte vollgestopft – umgangssprachlich auch bekannt als „Brainfog“. Ich möchte nicht mehr angefasst werden, und den Leuten auf der Straße kann ich nicht mehr in die Augen schauen. Meine sozialen Ängste sind derart ausgeprägt, dass ich gereizt und genervt von allen und jedem bin – ein Zustand, in dem das Leben wenig Freude macht. Eine Bestrafung unmittelbar nach dem Orgasmus, der größten Belohnung, die uns die Natur schenkte.
Viele Jahre habe ich mit diesen Symptomen verbracht und geglaubt, sie seien normal. Von der „NoFap“-Bewegung hatte ich gehört und, wie viele berichteten, auch von „Superkräften“ profitiert. Doch eigentlich war ich unter NoFap lediglich von den Symptomen unbelastet.
Zweimal habe ich versucht, mir ärztliche Hilfe zu holen. Das hat mich viel Überwindung gekostet, denn ich bin ein sehr introvertierter Mensch und dieses Thema ist mir sehr unangenehm. Meine erste Anlaufstelle war meine Hausärztin (eventuell Fehler Nummer 1 – vielleicht wäre ein männlicher Hausarzt besser gewesen). Sie schaute mich nach der Schilderung meiner Symptome etwas ungläubig an und hakte das Thema schnell ab.
Mein zweiter Versuch war bei einem Urologen. Leider lief dieser Termin nicht besser als der erste. Er hörte mir nicht richtig zu, führte eine Grunduntersuchung durch, bei der alles normal war, und überwies mich schließlich an vier verschiedene Ärzte. Nach diesen Erlebnissen war ich so entmutigt, dass ich mir vorerst keine ärztliche Hilfe mehr suchte.
Erst nach zehn Jahren habe ich realisiert, dass etwas nicht stimmt. Nach einer tiefgründigeren Recherche und ein bisschen Glück habe ich entdeckt, was wirklich dahintersteckt: POIS – Post-Orgasmic-Illness-Syndrom.
Auch wenn es aktuell keine Heilung gibt, ist es fast so wertvoll wie ein Wundermittel, einen Namen für die Krankheit zu haben. Endlich kann ich gezielt nach einer Lösung suchen, finde Studien zu dem Thema und – am allerwichtigsten – Menschen, die das gleiche Problem haben.
Seitdem konnte ich mit Nahrungsergänzungsmitteln und einer Ernährungsanpassung eine wesentliche Verbesserung meiner Symptomatik erreichen – alles dank der Hilfe einer wahnsinnig motivierten Community, die versucht, der Ursache auf den Grund zu gehen.„
Max, 35 Jahre, Nürnberg: „POIS macht mich tagelang zu einem anderen Menschen“
„Das Post-Orgasmic-Illness-Syndrom hat mein Leben in den letzten Jahren stark beeinflusst hat. Es begann vor etwa fünf Jahren, als ich nach dem Orgasmus plötzlich extreme Müdigkeit, Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein verspürte. Zuerst dachte ich, es sei nur eine vorübergehende Reaktion, aber die Symptome hielten an und treten seitdem bei jedem Orgasmus auf. Ich fühlte mich wie in einem Nebel, und die Erschöpfung ist überwältigend und mach mich tagelang zu einem anderen Menschen.
Die Symptome treten in der Regel innerhalb von 30 Minuten nach dem Orgasmus auf und können bis zu einer Woche andauern. Ich habe Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren, und alltägliche Aufgaben wurden zur Herausforderung. Es war frustrierend, da ich nicht verstand, was mit mir los war.
Nach vielen Arztbesuchen und Tests, die keine eindeutigen Ergebnisse lieferten, stieß ich schließlich im Internet auf Informationen über POIS. Es war eine Erleichterung, einen Namen für das zu haben, was ich erlebte, aber gleichzeitig war ich auch besorgt, da so wenig über diese Erkrankung bekannt war.
Ich begann, meine Symptome zu dokumentieren und suchte nach Unterstützung in Online-Foren, wo ich auf andere Betroffene traf. Der Austausch mit ihnen war unglaublich hilfreich. Wir teilten Tipps und Strategien, um mit den Symptomen umzugehen, und es war beruhigend zu wissen, dass ich nicht allein war.
Ich habe seitdem auch versucht, meine Lebensweise anzupassen. Ich achte jetzt mehr auf meine Ernährung, reduziere Stress und versuche, regelmäßige Bewegung in meinen Alltag zu integrieren. Einige dieser Änderungen haben mir geholfen, die Intensität meiner Symptome zu verringern, auch wenn sie nicht vollständig verschwunden sind.
Das Leben mit POIS ist ein ständiger Kampf, und manchmal fühle ich mich frustriert und isoliert. Aber ich gebe nicht auf. Ich hoffe, dass wir durch Forschung und Aufklärung bald bald eine Lösung finden.
Ich möchte allen Betroffenen Mut machen: Sucht nach Unterstützung, informiert euch und gebt nicht auf. Es gibt Hoffnung, auch wenn der Weg manchmal steinig ist.„
Andreas, 42 Jahre, Berlin „POIS hat meine Leben komplett aus der Bahn geworfen“
Ich leide seit circa zwanzig Jahren unter POIS. Alles fing mit brennenden Augen nach dem Sex an. Das war irritierend, aber hat mein (Sexual-)Leben nicht großartig beeinflusst. Ich konnte ein Studium abschließen und arbeiten gehen. Allerdings fiel es mir immer schwerer, Beziehungen zu führen, da ich nach dem Sex so erschöpft war, ständig kränkelte und mich tagelang zurückziehen wollte. Wenn man nach dem Sex alleine sein will und danach tagelang völlig fertig ist, ist es schwer eine Bindung aufzubauen. Ich habe das bis vor zwei Jahren selber alles gar nicht verstanden, wie das alles zusammenhängt. Über die Jahre habe ich immer mal wieder im Internet recherchiert, was es sein könnte, aber zunächst ohne Ergbebnis. Ich vertraute mich recht früjh einem Freund an, aber er kannte die Problemaktik nicht. Einen Urlolgen hatte ich aus Scham nie aufgesucht und vertraute mich auch sonst niemandem mehr an für die nächsten 15 Jahre. Ich fühlte mich wie der einsamste Mensche der Welt.
Im Laufe der Jahre wurden die Symptome immer schlimmer und dauerten länger an. Ab einem Punkt habe ich Sexverbot am Wochenende ausgesprochen, weil ich sonst bei den Fußballspielen ein Schatten meiner selbst gewesen wäre: Null Energie, null Konzentration, schwere Beine und Zementsäcke auf den Schultern. Irgendwann war ich nach dem Sex tagelang so fertig, dass ich heimlich bei der Arbeit geschlafen habe, weil ich meine Augen nicht mehr offen halten konnte und innerlich total leer war.
Beziehung um Beziehung ging in die Brüche, weil ich es körperlich und emotional nicht ausgehalten habe und selber auch nicht wusste was los war. Ich hatte dadurch immer das Gefühl, ich passe nicht in diese Beziehungswelt. Warum gelintg es allen anderen Menschen, zu heiraten und Familien zu gründen, aber ich war schon mit einer normalen Liebesbeziehung total erschöpft? Was stimmt mit mir nicht, dass mir immer alles zu viel wird? Nach der heißen Kennenlernphase gebe ich erschöpft auf. und ließ viele Frauen verdutzt zurück. Aus Verzweiflung, Trauer, Wut und Herzschmerz begann ich über die Jahre, viel Alkohol zu trinken. Das verschaffte zumindest zeitweise Erleichterung, war aber langfristig natürlich keine Lösung.
Im Jahr 2022 – nach meiner ersten Covid-19-Infektion – veränderte sich meine Symptomatik deutlich. Die Krankheit hat quasi mein Gehirn errreicht. Der Leidensdruck hatte damit eine ganz neue Qualität erreicht. Nachdem ich jahrelang „nur“ unter Grippesymptomen und starker Erschöpfung litt, kamen depressive Episoden, Brainfog, Angstzustände, Gedächtnisprobleme und Lärmempfindlichkeit dazu. An Arbeit war nicht mehr zu denken.
Da ich zu dieser Zeit einen sehr stressigen Beruf mit viel Vernantwortung hatte, dachte ich zunächst, dass ich einen Burn-Out oder eine Depression hätte. Ich habe dann auch während einer POIS-Episode sehr impulsiv meinen Job gekündigt und bin drei Monate in die psychosmomatische Tagesklinik gegangen. Ich konnte schlicht und einfach nicht mehr. Bezeichnenderweise hatte ich erst sechs Monate zuvor eine neue Liebes-Beziehung begonnen. Stress im Job und POIS-Symptome waren einfach zu viel.
Ich kündigte den Job und blieb in der Beziehung.
Meine damalige Freundin hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits eingeweiht, dass es mir nach dem Sex so schlecht geht. Sie war super verständnisvoll und unterstützend und hat dann im Internet recherchiert und ein POIS-Forum gefunden.
Damit hatte das Kind endlich einen Namen. Das war eine große Erleichterung! Die Beziehung ist dann aber auch auseinandergegangen, weil ich mich selbst nicht mehr ertragen habe und ich das Gefühl hatte, dass für meine mentale Gesundheit nur Besserung in Sicht ist, wenn ich erstmal alleine bin. Erst nach der Trennung hatte ich das Gefühl, dass ich mich erholen und an meiner Genesung arbeiten und nach Lösungen suchen kann.
Tatsächlich wurden danach Kräfte freigesetzt, mir endlich Hilfe zu suchen und ich ging mit Verdacht auf Depression in eine Tagesklinik . Da war ich zwar irgendwie richtig, aber irgendwie auch komplett falsch.
Dort hatte ich dem Arzt gegenüber einmal angesprochen, dass ich deutliche Zusammenhänge sehe zwischen meinem Depressionen und dem Orgasmus. Aber der Arzt kannte POIS nicht und dann war das Thema erledigt. Ich habe mich in den folgenden Sprechstunden auch nicht mehr getraut, es wieder anzusprechen. Behandelt wurde ich offiziell wegen Depressionen und Angstörungen.
Ich habe daraufhin fast drei Jahre Antidepressiva genommen, die mich aber nicht wesentlich weiter gebracht haben. Nach der Tagesklinik startete dann ein Ärztemarathon: Urologen, Allergologen, HNOs, Psychiater, Immunologen, Andrologen, Sexualmediziner usw. Aber eigentlich weiß niemand wirklich etwas. Und alle meine medizinischen Werte und meine Organe sind in Ordnung. Dann fragt man sich, ob das nicht doch alles nur im Kopf stattfindet, wenn alle Werte angeblich immer bestens sind.
Im Laufe der Zeit habe ich (möglicherweise als Nebenwirkung der Antidepressiva) eine Spermathorrhoe entwickelt. Das bedeutet den unkontrollierten Ausfluss von Samenflüsslikeit. Das ist für mich mit POIS quasi der Todesstoß, denn seitdem bin ich dauernd krank. Die ganze Sache hat für mich mit Sexualität nichts mehr zu tun, POIS kann jederzeit zuschlagen und ist gar nicht mehr steuerbar, z.B. durch Enthaltsamkeit.
Aktuell versuche ich im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation beruflich wieder Fuß zu fassen und einen neuen Beruf zu finden, der mit der Krankheit vereinbar ist. Dort werde ich von Arbeitspsychologen, Sozialarbeitern und Ergotherapeuten betreut. Das war anfangs eine große Überwindung, diesen Personen von meiner Krankheit zu erzählen. Es war mir unglaublich peinlich, aber es musste sein, damit die Leute verstehen, warum ich so starke Schwankungen habe und nicht denken, ich hätte keine Lust. oder so. Ich bin eigentlich sehr ehrgeizig, aber mit POIS geht gar nichts. Im gesunden Zustand könnte ich Bäume ausreissen, bin sozial, gut gelaunt und produktiv, aber schon einen Tag oder wenige Stunden später kann es sein, dass ich gar nichts mehr schaffe, mich total zurückziehen will und andere Menschen nicht mehr ertrage. Welcher Arbeitgeber soll das später mal verstehen? Für mich selber ist das auch total anstrengend, weil ich auch keine wirklich verbindlichen Pläne machen kann.
Am schlimmsten sind der Brainfog und diese bleierne Erschöpfung. Mein ganzes Hirn liegt im Nebel, ich bin total durcheinander, und kann gar keine Informationen verarbeiten. Ich höre Menschen mit mir reden, aber verstehe gar nicht, was sie sagen. Und das ganze gepaart mit dieser Müdigkeit. Als hätte ich Zementsäcke auf den Schultern. Auch der Geist ist müde. Ich will einfach nur die Augen zumachen und mich hinlegen. Wenn das nicht geht, ist das Leben eine Qual. Ich schleppe mich dann oft mit letzter Kraft nach Hause und lege mich binnen einer Minute ins Bett und schlafe sofort ein. Nach 2-3 Stunden wache ich auf und bin immernoch total fertig. Nachts mache ich dann aber oft kein Auge zu. Deswegen gehe ich spät abends noch joggen., damit ich irgendwie müde werde. Das ist die reinste Qual, weil alles schwer ist und weh tut, aber ich habe gemerkt, dass es mir danach für den Rest des Tages besser geht. Am nächsten Morgen ist der Effekt aber oft verpufft. Wie lange soll das noch so weitergehen?
Es ist alles total anstrengend. Der ganze Alltag ist ein Kampf gegen die Krankheit und der (meistens vergebliche) Versuch, den nächsten Ausbruch aufzuhalten oder die Symptome zumindest einzudämmen. Und am Ende verliert man immer. Wenn ich auskuriert bin, geht es direkt danach von vorne los. Ich befinde mich in einer Endlosschleife und kann nichts dagegen tun, denn mein Körper produziert ja einfach immer weiter Samenflüssigkeit. POIS ist perfide und zynisch.
Mit POIS bleibt man total unter seinen Möglichkeiten. An guten Tagen bekommt man vor Augen gehalten, was man alles erreichen könnte, wenn man gesund wäre. An schlechten Tagen kann man gar nichts. Das ist bitter und brutal.‘
Wie soll man so halbwegs konstant und verlässlich arbeiten? Was sollen die Kollegen darüber denken und welcher Arbeitgeber macht das auf Dauer mit?
Ich bin mittleweile an einem Punkt in meinem Leben, wo ich überhaupt nicht weiß, wie es beruflich und privat weitergehen soll.
Uwe, 57 Jahre, Erfurt: „Ich fühle mich wie ein Schatten des Menschen, der ich einmal war.“
Ich hatte nie erwartet, dass etwas so Alltägliches wie ein Orgasmus mein Leben so vollständig verändern könnte. Früher war ich jemand, der gerne arbeitete, Ziele hatte und Pläne für die Zukunft schmiedete. Heute ist es schwer, aus dem Bett zu kommen. Und es ist noch schwerer, zu akzeptieren, dass ich aufgrund einer körperlichen Reaktion, die ich nicht kontrollieren kann, nicht mehr in der Lage bin, mein Leben zu führen, wie ich es mir einst vorgestellt habe.
Bei mir begann POIS schleichend. Zuerst war es nur eine kurze Müdigkeit nach dem Orgasmus, dann kamen die Kopfschmerzen, die meine Konzentration störten. Aber es war nicht nur der Körper – es war auch der Geist. Mein Gehirn fühlte sich langsam an, als ob es in einem Nebel verpackt wäre. Mit der Zeit nahm die Intensität der Symptome zu, und ich begann, mich immer häufiger krank zu fühlen. Irgendwann konnte ich nicht mehr arbeiten, nicht mehr meine täglichen Aufgaben erledigen. Die Müdigkeit war so überwältigend, dass ich es nicht einmal schaffte, morgens aus dem Bett zu kommen, geschweige denn meine Arbeit zu erledigen.
Ich habe einen Bürojob, der viel Konzentration und geistige Energie erfordert. Doch je mehr ich versuchte, mich zusammenzureißen, desto mehr merkte ich, dass meine Leistungsfähigkeit immer weiter sank. Ich hatte Schwierigkeiten, einfache Aufgaben zu erledigen, konnte mich auf nichts konzentrieren und meine Stimmung schwankte zwischen völliger Leere und tiefster Verzweiflung. Es war, als ob ich in einem Zustand lebte, der mich von innen heraus lähmte. Die Erschöpfung war nicht nur körperlich, sie war auch emotional und geistig. Ich fühlte mich völlig erschöpft, ohne eine Möglichkeit zu sehen, diese Spirale zu durchbrechen.
Es war frustrierend und peinlich. Kollegen und Vorgesetzte merkten, dass etwas nicht stimmte, aber niemand konnte verstehen, was genau mein Problem war. Ich versuchte, es zu erklären, aber die Reaktionen reichten von Unglauben bis hin zu mitleidigem Schweigen. Die Wahrheit war, dass niemand wusste, wie man mit einem so mysteriösen und unsichtbaren Problem umgehen sollte. Auch ich wusste es nicht.
Der entscheidende Moment kam, als ich eines Tages bei der Arbeit zusammenbrach. Mein Körper war völlig erschöpft, und meine Gedanken waren wie wirre, unzusammenhängende Fragmente. Ich konnte nichts mehr tun. Ich schickte eine Nachricht an meinen Chef und teilte ihm mit, dass ich nicht mehr in der Lage war zu arbeiten. Es war ein Moment der absoluten Kapitulation.
Seitdem habe ich meinen Job aufgegeben. Ich konnte nicht mehr zur Arbeit gehen, weil ich wusste, dass ich weder körperlich noch geistig dazu in der Lage war, die Anforderungen zu erfüllen. Aber das war der schwerste Schritt meines Lebens. Nicht nur, dass ich meine Karriere aufgeben musste, sondern auch ein Teil meiner Identität, der an meiner Arbeit hing. Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben – als Mensch, als Mitarbeiter, als jemand, der Verantwortung übernimmt. Mein Selbstwertgefühl ist zerbrochen.
Die Diagnose, wenn man es so nennen kann, war eine Erleichterung, aber gleichzeitig auch eine neue Last. POIS – Post-Orgasmic-Illness-Syndrom – das sind die Worte, die mir geholfen haben, wenigstens ein bisschen zu verstehen, was mit mir passiert. Aber das Wissen hat mir nicht wirklich geholfen, mich besser zu fühlen. Es hat nichts an der Realität geändert, dass ich nicht mehr in der Lage bin zu arbeiten, dass ich kaum einen geregelten Tagesablauf habe und dass mein Leben von der Krankheit dominiert wird.
Ich versuche, mich irgendwie zu organisieren, versuche, etwas Struktur zu finden. Doch oft stehe ich vor einem Berg von Aufgaben, die ich einfach nicht erledigen kann. Es sind die einfachsten Dinge, die mich überwältigen – Einkaufen, einen Termin wahrnehmen, mich überhaupt um mich selbst kümmern. Es fühlt sich an, als ob mein Körper und mein Geist ständig im Ausnahmezustand sind.
Die Auswirkungen von POIS sind für mich nicht nur körperlich, sondern auch finanziell und sozial verheerend. Der Verlust meines Jobs hat mich nicht nur aus meinem beruflichen Leben gerissen, sondern auch meine sozialen Kontakte belastet. Ich ziehe mich zurück, weil ich mich schäme, aber auch, weil ich es kaum schaffe, meine Gedanken zu ordnen oder an einem normalen Gespräch teilzunehmen. Ich fühle mich wie ein Schatten des Menschen, der ich einmal war.
Es gibt Momente, da frage ich mich, wie es weitergeht. Wie lange kann ich diese Isolation ertragen? Wie lange kann ich das Gefühl der Hilflosigkeit ertragen? Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber die Angst, dass ich nie wieder in der Lage sein werde, ein normales Leben zu führen, frisst mich auf. Die Ungewissheit darüber, ob es überhaupt eine Heilung oder Linderung gibt, ist quälend.
Für mich ist es eine ständige Herausforderung, einen Weg zu finden, irgendwie weiterzumachen. Ich weiß, dass ich nicht aufgeben darf, aber die Antwort darauf, wie ich mein Leben wieder zurückgewinnen kann, bleibt im Dunkeln.
Und das macht es so schwer, Hoffnung zu haben.